Die Züge den Menschen!

Auftragsvergabe an fragwürdige Unternehmen stoppen!

Zum kommenden Landesparteitag haben wir eine Reihe von Anträgen gestellt, die wir euch gerne vorstellen möchten. Etwa zum Schienenverkehr in Baden-Württemberg. Wir fordern, dass der Landesverband sich weiterhin kritisch gegenüber Auftragsvergaben an private Unternehmen positioniert und in Zukunft gemeinsam mit den zuständigen Gewerkschaften und Verbänden stärker vor den Gefahren warnt.

2014 wurde durch das Baden-Württembergische Verkehrsministerium zur Ablösung des bisherigen Labels „3-Löwen-Takt“ die neue „bwegt“-Kampagne zur Förderung und dem Ausbau des Baden-Württembergischen Schienennah- und Regionalverkehrs gestartet. Die „bwegt“-Kampagne umfasst ein breites Investitionsprogramm in stillgelegte Strecken, der Renovierung lange vernachlässigter Eisenbahnstrecken mittlerer Priorität auch mit (teilweise fragwürdiger) Kofinanzierung durch Land und Kommunen (durchgehende Elektrifizierung der Höllentalbahn von Donaueschingen nach Freiburg als ein Beispiel), die Neuschaffung eines Netzes aus Interregio-Express-Verbindungen zwischen Baden-Württembergischen Mittelzentren zu den Fernverkehrsknoten, den Aufbau einer landeseigenen Flotte aus neuen Fahrzeugen (beispielsweise vom Typ Stadler FLIRT, Bombardier Talent 2 bzw 3 und Alstom Coradia Continental) und die Schaffung eines einheitlichen landesweiten Nahverkehrstarifs für den Schienen- und Busverkehr. Insgesamt ist dieses Projekt seitens der Landesregierung mit Kosten von 65,5 Millionen Euro jährlich beziffert.  (Quellen: www.bwegt.de/inbetriebnahme/ und https://www.bwegt.de/land-und-leute/bwegt-magazin/was-bewegt-sie/)

Insgesamt ist dieses Projekt gutzuheißen; die Baden-Württembergische Landesregierung unter Minister Winfried Hermann (Grüne) treibt den Umstieg auf nachhaltige Lösungen im Nahverkehr weiter voran und die Wirkungen sind bereits spürbar. Jedoch ist nicht alles Gold was glänzt. Aufträge zur Bedienung wichtiger Regionalstrecken vor allem im Raum Stuttgart ab Sommer 2019 gingen aufgrund von Patzern und „kreativen“ Maßnahmen der für den Baden-Württembergischen Regionalverkehr zuständigen Tochter der Deutschen Bahn AG, DB Regio Baden-Württemberg, an die Unternehmen GoAhead (Größtes Eisenbahnunternehmen in Großbritannien und wiederholt zum schlechtesten Verkehrsunternehmen des Vereinigten Königreichs gewählt) und Abellio (Tochterfirma der Niederländischen Staatsbahnen). (Quelle: https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.bahn-verliert-regionalzuege-debakel-fuer-die-bahn.c6b1cad5-a0ca-4378-bc56-8c8825bd246a.html). Eine von der DB Regio Baden-Württemberg angestrengte Klage gegen den Ausschluss vom Vergabeverfahren scheiterte vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe (Quelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgarter-nahverkehrsnetz-deutsche-bahn-verliert-endgueltig.aac99d4a-0891-4673-85b5-7031fa6ba402.html) und die im Antragstext genannten Strecken werden bis mindestens 2032 durch GoAhead und Abellio betrieben.

Der Grund dafür? Die Ausschreibungen boten dem Land Möglichkeiten, beim Schienenverkehr zu sparen, zu befürchten ist: auch auf Kosten des Fahrkomforts, der Zuverlässigkeit und der Angestelltenrechte! Vor dem Hintergrund des desaströsen Bau- und Immobilienprojekts „Stuttgart 21“ erweckt dies den Eindruck, das Land möchte die von den schwarz-gelben Vorgängerregierungen zu dessen Förderung überteuert bei DB Regio beauftragten Dienstleistungen („großer Verkehrsvertrag“) nun durch Billigvergaben kompensieren (Quelle: http://archiv.vcd-bw.de/presse/2012/verkehrsvertrag/20120630_VCD-Studie_zum_Verkehrsvertrag_Land-DB_AG.pdf, insbesondere Seite 7ff).

Die Ironie an der Sache liegt aber wie so oft im Detail: So ist entgegen der Erwartungen von Hermann und der neuen EVU nicht genügend Personal von der DB zu den „Privaten“ hinüber gewechselt und der Lokführermangel zeigt bereits seit längerem bei verschiedenen EVU Konsequenzen in Zugausfällen und Verspätungen auf vielen Strecken (so auch z.b. auf der Bahnstrecke Tübingen – Stuttgart), technische Pannen die an Peinlichkeit kaum zu überbieten sind etc. etc. (Quelle: https://www.neues-deutschland.de/artikel/1086427.privatbahn-muss-db-regio-anpumpen.html) Das Baden-Württembergische Verkehrsministerium reagierte auf diese Missstände auf eine geradezu groteske Art und Weise: Hermann versuchte einen Notpersonalpool aufzustellen, scheiterte im November 2019 aber trotz mehrmaliger Fristverlängerung bei dem Versuch, per Ausschreibung hierfür Personaldienstleister zu finden, die dies organisieren sollten und pumpt die Schienenunternehmen mit Steuermitteln voll, um deren Verluste zu schmälern. (Quellen: https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/433/farce-auf-schienen-6070.html, https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.eisenbahnverkehr-in-baden-wuerttemberg-die-suche-nach-ersatz-lokfuehrern-zieht-sich-hin.699a9808-661f-41b5-b770-b0875e73cf2a.html?reduced=true, https://www.eurailpress.de/nachrichten/betrieb-services/detail/news/baden-wuerttemberg-zugausfaelle-bei-db-regio-vor-betreiberwechsel.html, https://www.nvbw.de/fileadmin/nvbw/Ausschreibungen/Ausschr_SPNV/Ausschreibung_Personalpool/2019-OJS228-560125_Personalpool_Aufhebung_der_Ausschreib.pdf)

Wir als Linke Baden-Württemberg müssen uns dringend gegen diese groteske Zweckentfremdung von Steuermitteln und Vergesellschaftung der Verluste privater Unternehmen wehren. Ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz sollte zum Ziel haben, Personen von A nach B zu befördern und nicht die Gewinne von Verkehrsunternehmen zu fördern. Die profitorientierte Verwertung des deutschen Bahnnetzes zugunsten sachfremder Unternehmensinteressen muss verhindert werden.

Deshalb fordern wir…

Der Landesvorstand wird zusammen mit interessierten Mitgliedern aus den Regionen konkrete Vorstellungen zum Eisenbahnregionalverkehr in Baden-Württemberg erarbeiten und in das Programm zur Landtagswahl 2021 aufnehmen. Einzelheiten dazu können auch auf dem Landesparteitag im Spätjahr 2020 präzisiert werden (gegebenenfalls als Fortschreibung der Broschüre zur Landtagswahl 2011).

Die Linke Baden-Württemberg wird sich in Pressemitteilungen weiterhin dafür einsetzen, die Auftragsvergabe von Regionalbahnnetzen an „private“ Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), wie etwa Abellio und GoAhead und die damit verbundenen Probleme kritisch und fundiert zu beleuchten.

Die Linke Baden-Württemberg wird sich für Qualitätskriterien im Rahmen des Vergaberechts bei Eisenbahnstrecken einsetzen, die strikt einzuhaltende Standards bei Fahrtkomfort, Arbeitnehmerrechten und Zuverlässigkeit beinhalten, die bei zukünftigen Ausschreibungen von Verkehrsleistungen berücksichtigt werden müssen.

Die Linke Baden-Württemberg wird sich dafür einsetzen, im Verbund mit den dafür zuständigen Gewerkschaften und Verbänden gegen die Gefahren insbesondere von Lohndumping und Sicherheitsmängeln bei EVU vorzugehen.

Packen wir‘s an!

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